Das Märchen der sauberen Energiererzeugung


Nun ist es also swoeit: die Würfel sind gefallen für einen unter internationaler Aufsicht betriebenen ersten wirtschaftlich nutzbaren Kern-Verschmelzungs-Reaktor im Süden Frankreichs.

Und wieder spalten sich die Lager in Befürworter und Gegner. Die einen verweisen darauf, daß hier weder Kohlendioxid noch andere Abgase entstehen, die ja die Treibhauseffekte verursachen, daß der Kernverschmelzung unbegrenzte Rohstoffe zur Verfügung stehen und kaum radioaktive Abfälle entstehen. Den Gegnern ist jede Kerntechnik suspekt; sie verweisen auf die Risiken der Technologie und zeigen auf, daß mit den enormen finanziellen Mitteln doch lieber andere Technologien gefördert werden sollten.

Was im allgemeinen untergeht, ist das prinzipielle Problem der Abwärme. Wenn wir Kohle oder Erdöl nutzen, setzen wir Energie frei, die die Sonne vor Jahrmillionen geliefert hat und in pflanzlicher Substanz auf der Erde gespeichert hat. Was aber auch Jahrmillionen gebraucht hat. Und was wir nun innerhalb von Jahrzehnten wieder freisetzten. Und was wir mit den fossilien Brennstoffen auch immer machen, ob wir Bewegung erzeugen oder über den Umweg der Elektrizität Licht, Wärme, Bewegung - es wandelt sich doch alles um in Wärme. Und die werden wir hier auf der Erde einfach nicht los, es sei denn, wir erhöhen die Abstrahlung in den Weltraum durch eine erhöhte Oberflächentemperatur der Erde.

Was nicht nur möglich ist, sondern eine zwingende Folge und eigentlich ganz einfach aus dem jährlichen Gesamtenergieumsatz fossiler Energien zu berechnen ist. Die Natur kommt mit einer solchen Änderung gewiss zurecht. Es hat in der erdgeschichtlichen Vergangenheit immer wieder plötzliche Änderungen des Klimas gegeben, etwa als Folge von Meteoriteneinschlägen oder Vulkanausbrüchen durch erhöhtes Staubaufkommen, das die Abstrahlung ins Weltall vermindert und damit die Oberflächentemperatur erhöht hat. Auch die Urwaldindiander Südamerikas oder die Buschmänner Südafrikas könnten damit überleben. Aber ein so kompliziertes und anfälliges Wirtsachftsystem wie unseres ist dazu nicht in der Lage. Je weiter wir entwickelt sind, desto mehr müssen wir unser Augenmerk darauf richten, daß es auch nicht die kleinste Änderung in den Umgebungsfaktoren gibt, um unser Wirtschaften und damit unser Überleben nicht zu gefährden.

Das Klima auf der Erde ist aber viel zu kompliziert, um zuverlässige Aussagen darüber zu machen, wie es bei ganz genau bestimmten äußeren Einwirkungen reagiert. Selbst wenn wir das System verstehen würden, und ausreichend schnelle Computer zur Verfügung hätten, um das System zu simulieren, so würde es doch erfordern, den Ist-Zustand zu einem einzigen Zeitpunkt ganz exakt zu kennen. Was aber schon aus einem Mangel an Meßdaten nicht möglich ist. Noch weniger können wir aus globalen Meßdaten die Werte der Zukunft extrapolieren, ohne die Menge der Reaktionen zu kennen, die dem System prinzipiell möglich sind.

Wenn also unser Ziel sein muß, die Umwelt möglichst wenig zu beeinflussen, in der Hoffnung, daß die Umwelt sich dann auch möglichst wenig ändert, so ist dies bei der Bewertung der vorhandenen Energiegewinnungssysteme zu berücksichtigen.

Die Nachteile der konventionellen Techniken sind allgemein bekannt: Die Verbrennung fossiler Energien erzeugt Abgase, deren Auswirkungen auf die Umwelt wir zwar nicht genau kennen, aber fürchten müssen. Die Kernspaltung erzeugt radioaktive Abfälle. Und beide Systeme erzeugen bereits in der Umwandlung in technisch nutzbare Energie enorme Mengen an Abwärme.

Die Nutzung von Wind-, Sonnen-, Erdwärme-, Wasser- oder Gezeitenenergie ist vermutlich unproblematisch, so lange sie in so kleinem Umfang betrieben wird wie zur Zeit. Ebenso wie die Kohleverbrennung vor zweihundert Jahren noch unproblematisch war.

Wenn wir nun aber mehr Windkrafträder aufstellen, so wird irgendwann die Rückwirkung auf die Bewegung der Luft nicht mehr zu vernachlässigen sein. Wie wird sich das Wetter ändern, wenn die Luftbewegungen derart eingeschränkt werden?

Ebenso sieht es bei der Erdwärme aus: Diese ist im Erdinnern gespeichert und nimmt also langsam ab. Welche Effekte können wir erwarten, wenn wir dieses langsame Erkalten des Erdkerns nun beschleunigen? Wird die Erde mit einem kälteren Kern noch das Magnetfeld besitzen, das für uns Menschen so lebenswichtig ist, weil es uns vor dem Sonnenwind, energiereicher Strahlung und Teilchen, schützt?

Ähnlich müssen wird die Gezeitenkraftwerke bewerten: Sie nutzen die in der Differenz zwischen Mondumlaufzeit und Erddrehzahl gespeicherte Energie. Wenn wir zuviel dieser Energie entnehmen, gleichen wir Monat und Tag aneinander an. Mit unabsehbaren Folgen: Wenn die Erddrehzahl kleiner wird, bedeutet dies eine stärkeres Aufheizen der sonnenzugewandten Bereiche und ein stärkeres Abkühlen der abgewandten. Ebbe und Flut wechseln einander nicht mehr so schnell ab und so erhöht sich der Tidehub. Wir können dann zwar bei Ebbe nach England laufen, aber bei Flut England gar nicht mehr auffinden. Abgesehen davon, daß sich natürlich die Meeresströmungen unvorhersehbar ändern. Was machen wir eigentlich ohne Golfstrom?

Auch die Sonnenenergie ist nicht unproblematisch. Können wir etwa die Sahara mit Solarzellen bedecken, ohne schädliche Auswirkungen befürchten zu müssen. Betrachten wir aber erst einmal die Energiebilanz des einfallenden Sonnenlichtes. Beim Auftreffen auf Gestein wird ein Teil der auftreffenden Sonnenenergie reflektiert und dann größtenteils ins Weltall abgestrahlt, ein anderer Teil wird absorbiert und führt zur Erwärmung des Gesteins. Von welchem dieser beiden Anteile wollen wir nun also die Energie nehmen, die wir nutzen? Verringern wir den Anteil der reflektierten und damit ins Weltall abgestrahlten Energie, so führt dies zu einer Gesamterwärmung der Erde. Der Anteil der abgestrahlten Energie darf also nicht verändert werden. Also entnehmen wir unsere gewünschte Energie der bisherigen Absorption. Dies bedeutet dann, daß sich die Solarzelle weniger stark erwärmt als das ursprüngliche Gestein. Diese Erwärmungsdifferenz ist die von uns abgezapfte Energie. Wenn wir diese gewonnene Energie aber in den gemäßigten Zonen nutzen, also zurück umwandeln in Wärme, wird dies katastrophale Auswirkungen auf das Klima haben: In den heißen Zonen wird es kälter und in den kalten wärmer. Wir müssen also die Energie dort nutzen, wo sie entsteht. Wenn die Solarzelle sich also weniger erwärmt als das ursprüngliche Gestein, aber ein daneben gestellter Computer genau um diese Energiedifferenz wärmer ist, wäre das Klima gerettet. Wir müßten also Solarzellen immer genau dort aufstellen, wo auch der Stromverbraucher sitzt! Leider ist es aber so, daß die Solarzellen immer dunkler sind als das Gestein oder der größte Teil natürlicher Umgebung, die sie ersetzt, und damit immer für eine Erderwärmung sorgen.

Wenn wir also die Vorgänge der Natur zum Vorbild nehmen müssen, so dürften wir also nur das Holz aus den Wäldern der direkten Umgebung verbrennen, was in der Natur langsam verfaulen und dabei die gleiche Energie freisetzen würde, wie wir das bei der Verbrennung verursachen, und auch die gleiche Energie, die vorher von der Sonne geliefert vom Baum umgewandet wurde.

Aber schon der Transport von Brennholz in andere Regionen ist in der Natur nicht vorgesehen. Wenn wir in Deutschland Tropenholz verbrennen, bewegen wir die gepeicherte und anschließend wieder freigesetzte Wärme von einer heißen Klimazone in eine kalte. Können wir abschätzen, wie das Klima darauf reagiert? Abgesehen davon ist aber schon der reine Materialtransport abgesehen vom dazu notwendigen Energieumsatz auch schon mit unerwarteten Folgen behaftet: Die Umdrehungsgeschwindigkeit reagiert auf die Nordwanderung von Materie vom Äquator zu den gemäßigten Breiten wie eine Eiskunstläuferin, die ihre ausgestreckten Arme zusammenzieht. Die vielen auf der Nordhalbkugel gebauten Staudämme mit ihrer großen gespeicherten Wassermenge führen bereits zu einem nachmeßbaren Effekt!


Copyright © Michael Knappmann