Studiengebühr oder Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen!

Nun ist es also wieder so weit. Den Politikern fällt nichts mehr ein. Also müssen die Studenten dran glauben.

Dabei ist es schon an sich ärgerlich, daß die Politiker, die auf Kosten des Staates und der Allgemeinheit studiert haben und nun ihren persönlichen Nutzen daraus ziehen, den kommenden Generationen das Studium durch Gebühren erschweren wollen. Aber nur diese offensichtliche Ungerechtigkeit zu beklagen, lenkt am Kern des Problems vorbei.

In ihrem unerträglichen Privatisierungswahn sägt die Gesellschaft doch ganz augenscheinlich den Ast ab, auf dem sie selber sitzt.

Wenn Deutschland auch weiter in der ersten Liga mitspielen möchte, ist es zwingend auf bestens ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen. Nur im High-Tech-Bereich kann Deutschlands Zukunft liegen: im Versuch, in den Massenproduken der Billiglohnländer zu konkurrieren, werden zuerst die hohen Umweltstandards, die sozialen Errungenschaften und nicht zuletzt natürlich das hohe Lohnniveau aufgegeben, um dann doch in der nicht zu bändigenden Konkurrentenflut unterzugehen.

Auch der Müllmann und der Hilfsarbeiter profitieren von gut ausgebildeten Spitzenkräften.

Wenn Bildung und Ausbildung so also zur Privatsache erklärt werden, deren Risiko der Einzelne alleine tragen soll, wenn Bildung und Ausbildung nur noch unter dem finanziellen Gesichtspunkt als Investition gesehen wird, die sich lohnen soll, deren Risiko schwer einschätzbar ist, deren Gewinnchancen aber gerade im Hinblick auf die aktuelle Unberechenbarkeit politischer Entscheidungen alles andere als rosig aussehen wird - insbesondere wenn man in privatem Rahmen betriebswirtschaflich denkend den Verdienstausfall während des gesamten Studiums mit einkalkuliert, den Ausfall der Zahlungen in die Rentenkasse, den späteren Eintritt ins Berufsleben, der alle Aufstiegschancen und Beförderungen um dieses Maß nach hinten verschiebt, dann darf man sich nicht wundern, wenn bald kaum noch jemand dieses persönliche Risiko des Studiums auf sich nimmt.

Naturgemäß ist es so, daß es einige Leute gibt, denen die Studiengebühr ein so kleinen Anteil an ihrem Vermögen bedeutet, daß sie frohgemut ihren Kindern diesen Obulus zusätzlich mitgeben können. Diese Kinder werden also bald ganz unter sich sein, wenn sie die Universität besuchen. Können wir uns als Gesellschaft eigentlich diesen Mangel an Effektivität leisten, daß nämlich nicht die Fähigsten, sondern die Betuchtesten der Gesellschaft studieren?

Ich selber habe studiert und mein Diplom ohne Studiengebühr erhalten. Seit dem sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwieriger geworden und auch viele Akademiker sind inzwischen arbeitslos. In wenigen Jahren wird es keine nennenswerte Zahl von nachrückenden Akademikern mehr geben. Für mich ein angenehmer Gedanke: Keine Konkurrenz durch junge, dynamische und erfolgreiche Konkurrenten - endlich muß ich nicht mehr täglich um meinen Arbeitsplatz bangen. Vielleicht sollte ich mich doch für Studiengebühren einsetzen?

Eine weitere gesellschaftliche Komponente von Bildung kommt in diesem Zusammenhang selten zur Sprache: Ein hohes Bildungsniveau macht ein Abdriften in extremistische und gewaltbereite Splittergruppen unwahrscheinlich! Soll das dritte Reich nun mit Gewalt wiedererrichtet werden oder wird hier einfach nur politischer Weitblick dem finanziellen Kalkül untergeordet?

Was spricht denn nun eigentlich dagegen, eine Akademiker-Sonder-Einkommenssteuer zu erheben? Eine Steuer, die von all denen bezahlt wird, die früher kostenlos studiert haben und heute von ihrem Studium profitieren? Wenn diese Sondersteuer zweckgebunden direkt an die Hochschulen gehen würde - evtl. direkt an diejenige, an der der jetzt zahlende Absolvent studiert hat - statt im großen Ganzen zu versickern, wäre vermutlich auch eine Akzeptanz bei den Betroffenen zu erreichen ...


Copyright © Michael Knappmann